International
20. Juni 2023

Doppelter Progressionsvorbehalt bei doppeltem Wohnsitz

Ein Erkenntnis des VwGH hat kürzlich die geltende Auffassung zum Progressionsvorbehalt bei Auslandseinkünften korrigiert. Bisher wurde der Progressionsvorbehalt in Österreich nur angewandt, wenn Österreich auch der Ansässigkeitsstaat war. Nun wurde klargestellt, dass auch bei Nichtansässigkeit der Progressionsvorbehalt anzuwenden ist.

Grundsätzlich besteht in Österreich unbeschränkte Steuerpflicht, sobald in Österreich ein Wohnsitz gegeben ist. Sie umfasst das gesamte Welteinkommen, bei mehreren Wohnsitzen kann somit das Welteinkommen in mehreren Staaten der vollen Besteuerung unterliegen. Um dies zu vermeiden, wurden zwischen den Staaten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen:

  • dem Ansässigkeitsstaat (Staat, in dem der Lebensmittelpunkt begründet wird)

und

  • dem Quellenstaat (Staat, in dem weitere Einkünfte erzielt werden)

Häufig erfolgt die Versteuerung der Einkünfte im Quellenstaat. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat sieht das DBA die Anrechnungsmethode oder die Befreiungsmethode vor.

Anrechnung und Befreiung

Bei der Anrechnungsmethode werden die Einkünfte des anderen Staates zur Gänze versteuert, die ausländischen Steuern werden dabei voll angerechnet. Nach der Befreiungsmethode  erfolgt keine Besteuerung der Einkünfte des anderen Staates. Für die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes werden allerdings alle Einkünfte gesamt berücksichtigt.

In Fällen, in denen Österreich als Quellenstaat die Einkünfte versteuert hat, erfolgte dies bisher nur für die in Österreich erzielten Einkünfte zu dem hierfür anwendbaren Tarif. Diese Praxis wurde nun vom VwGH verworfen: Auch für den Quellenstaat ist das Welteinkommen von Bedeutung. Für die Ermittlung des Steuersatzes der Einkünfte aus Österreich ist ab 2023 nun der auf Basis des Welteinkommens ermittelte Steuersatz heranzuziehen.

Zweitwohnsitzverordnung bringt Ausweg

Nach dieser Verordnung gilt eine Person als beschränkt steuerpflichtig und entkommt somit dem Progressionsvorbehalt, wenn der österreichische Zweitwohnsitz nicht länger als 70 Tage im Kalenderjahr benutzt wird und der Mittelpunkt der Lebensinteressen seit mindestens fünf Kalenderjahren im Ausland liegt. 

Beispiel

Ein in Slowenien ansässiger Einzelunternehmer betreibt in Slowenien und Österreich einen Gewerbebetrieb.
Der Unternehmer hat auch einen Wohnsitz in Österreich. 

Ermittlung Durchschnittsteuersatz

Einkünfte Gewerbebetrieb Österreich (Betriebsstätte)

30.000

Einkünfte Gewerbebetrieb Slowenien (Stammhaus)

90.000

= Welteinkommen

120.000

Tarifsteuer auf das Welteinkommen (lt. ESt-Tabelle 2023)

46.012

Durchschnittsteuersatz rd.

38 %

Anwendung auf die in Österreich zu besteuernden Einkünfte

Steuer MIT Berücksichtigung Progressionsvorbehalt 

Steuersatz auf Betriebsstätte Österreich (30.000 x 38 %) rd.

11.500

Steuer OHNE Berücksichtigung Progressionsvorbehalt 

Tarifsteuer auf Einkünfte Österreich (lt. ESt-Tabelle 2023) rd.

4.750

Steuerliche Mehrkosten ab 2023

6.750

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